Digitale Bohème in der Diaspora

Es ist leicht über den Wirtschaftsstandort Konstanz zu schimpfen – vor allem, weil es eigentlich keiner ist.

Ein Beispiel: Ich bekomme – wie fast jeder andere auch – bei mir zuhause DLS mit 16 MBit/s Download für einen monatlichen Spottpreis.

Im Industriegebiet hingegen, wo ich mittlerweile gut 70 Arbeitsplätze geschaffen habe und jährlich für knapp 10 Millionen Euro eigenveranstaltete Reisen online verkaufe, dort gibt es noch immer nur einfaches DLS. Oder alternativ 2 Mbit/s mit einer Standleitung für über 800 Euro im Monat. Eine Infrastruktur zum Davonlaufen!

Auch kulturell wächst einem hier schnell der grüne Bart, und ich lebe nur deswegen so gerne am Bodensee, weil ich in regelmäßigen Abständen nach Berlin oder Wien fliegen kann, um  zu kontrollieren, ob das, was bei uns nur im Feuilleton steht, dort auch wirklich passiert. Sozusagen.

Das Wirtschaftswachstum einer Region ist (statistisch klar nachweisbar) eng mit den Anteil der anwesenden „kreativen Klasse“ der Erwerbstätigen verknüpft. Diese Kreativarbeiter bestehen darauf, in einem kreativen und stimulierenden Umfeld zu leben. Sie ziehen sich gegenseitig an – und darum fast alle von Konstanz weg.

Man erkennt die Kreativarbeiter an ihren Freytag-Taschen, in denen ein Subnotebook steckt. Oder ein MacBook. In den Cargohosen versteckt sich ein iPhone. Oder zumindest der Wunsch nach einem. Auf dem Tisch liegt es zwischen Caffè Latte und Moleskine. Und der Tisch steht in einem Café mit WLAN. Oder zumindest in einem Café, über dem ein freundlicher Fonero wohnt. Sitzen mehrere solcher Leute zusammen im Café, dann stehen mindestens genauso viele Notebooks auf dem Tisch – die meist über und über mit Aufklebern von BarCamps beklebt sind.

Der Arbeitgeber dieser digitalen Bohème hat kein Sekretariat. Dafür aber ein Wii-Zimmer und einen guten Tischkicker in der Küche. Entweder tatsächlich – oder vorerst nur in den Gedanken dessen, der diese Firma gerade gründen möchte.

Diese digitale Bohème ist selten am Bodensee. Aber vorhanden!

Schade nur, dass man sich so selten trifft. Wie auch, wenn die coolsten Cafés hier „diese Notebook-Leute“ als störend empfinden (das dürft ihr vom Klimperkasten und Voglhaus jetzt gerne mal persönlich nehmen).

Mir passiert es aber trotzdem immer wieder, dass ich neue spannende Leute kennen lerne, mit denen ich schon Monate oder Jahre meine kleine Stadt teile. Und jedes Mal denke ich: hätten wir uns nur früher schon getroffen.

Und damit nun nicht noch mehr Zeit vergeht, bevor wir uns alle in unserer digitalen Diaspora finden (oder schlimmer noch: beim nächsten Barcamp viele Hundert Kilometer entfernt), rufe ich hiermit zum wöchtentlichen DiBoBo-Treffen auf: dem Stammtisch der digitalen Bohème am Bodensee.

Jeden Sonntag ab 11 Uhr. Ein loses Kommen und Gehen. Erstmals am 20. Juli im Café Wessenberg Dom. Details per Twitter mit #dibobo und/oder über das Event bei Facebook.

Jetzt hoffe ich, dass unser aller digitales Word-of-Mouth überall dorthin schallt, wo sie stecken, die Blogger, Holidaychecker, Twitterer, Toursprunger, Startupper, Notebooknomaden, VC-Burner, Lauter und wie sie alle heißen.

Und vielleicht gibt uns der liebe Herr Schaal ja sogar die erste Runde Kaffee aus? Fänd ich klasse!

Update: Sitze gerade im (neuen) Dom und bemerke, dass die hier ein schnelles und zeitlich unbegrenztes WLAN haben. Besser als im Wessi. Darum verlege ich das Treffen nochmal… ins Dom.

About Peter Eich

Mathematiker und Philosoph eigentlich, Seriengründer und Investor tatsächlich. Gründer von Inselhüpfen, Radweg-Reisen, Bikemap, Toursprung, Tourbook, Bodensee-Verlag, und Cyclesummit. Außerdem Referent, Immobilien-Investor, Pilot, NLP-Coach und Barista. Und meistens unterwegs.