Meine Reisemonster und ich

Uns verbindet eine Hassliebe:

Manchmal hilft mir meine Kreditkarte bei der Organisation meines Lebens, vor allem, wenn ich auf Reisen bin. Sie kauft mir das eine oder andere Geschenk, identifiziert mich am Check-In, versichert meine Mietwagen, verhilft mir zu Gratis-Flügen, lässt mich in Lounges ruhen und so weiter.

Doch manchmal entpuppt sie sich auch als ein fieses Reisemonster.

blog570

Heute zum Beispiel.

Zuerst arbeitete sie Hand in Hand mit mir bei der Buchung der nächsten Hotels, bezahlte sogar noch einen letzten und dann einen allerletzten Espresso im Hotel in Sydney. Lecker war er, und ich hatte nicht bemerkt, dass hier bereits das fiese Reisemonster am Werk war und nicht länger die freundliche Kreditkarte.

Während ich also einen Kaffee nach dem anderen trank und die Sonne ins Meer sinken sah, dachte ich noch, wie wären Freunde. Doch tatsächlich arbeitete sie an ihrem heimlichen Plan, mich meinen Flug verpassen zu lassen.

Als ich es bemerkte, war es schon fast zu spät. Ich bin also schnell ins nächste Taxi gehastet und helgemäßig zum Airport gebraust. Der Fahrer spielte mit und kam gut voran. Ich merkte, wie ich langsam wieder die Oberhand über das Zeitmanagement gewann.

Dachte ich.

Doch beim Aussteigen verbündete sich mein Reisemonster mit meinem Portemonnaie und beide blieben klammheimlich auf der Rückbank im Taxi liegen.

Als mir das auffiel, war das Taxi natürlich längst über alle Berge und mitten im Feierabendstau von Sydney.

Ich weiß nicht, ob ihr auch ein Reisemoster habt, das euch unterwegs immer wieder in die Falle lockt. Falls nicht, so will ich euch erklären, wie sich sowas anfühlt.

Einerseits könnte man sich ärgern über die Umstände, die einem das Reisemonster immer wieder in den Weg legt. Doch als  Mensch des 21sten Jahrhunderts nimmt man jede solche Herausforderung natürlich mit einem sportlichen Ehrgeiz. Schließlich ist das Reisemonster die Eintrittkarte in den ziemlich exklusiven Club der Reisemonsterreisenden.

Das sind Leute, die es trotz Reisemonsterärger immer wieder an ihr Ziel schaffen. Sozusagen die Crème de la crème in allen Airports. Leute, denen normales Reisen längst viel zu langweilig geworden ist. Leute mit schwarzem Gürtel in Airline-Judo. Und vor allem Leute, die es Kraft der sie ständig begleitenden Monsterumstände zu einer beeindruckenden Improvisationsfähigkeit und Seelenruhe gebracht haben.

In gelegentlichen Treffen mit anderen Reisemonsterreisenden werden dann Geschichten erzählt, die für normale Reisende wie Horrormärchen klingen. Tatsächlich aber sind es Rituale, mit denen im Club Rangfolgen und Respekt ermittelt werden. Mitunter sogar großer Respekt.

Somit ist das Reisemonster also nicht nur die Quell ständiger Herausforderungen, sondern auch die Eintrittkarte in einen exklusiven Club. Eine Hassliebe eben.

Nun, als ich heute also am Check-In-Automaten stand und meine Kreditkarte nicht fand, wurde mir reflexartig klar: nicht länger suchen, sondern SOFORT raus zum Taxi rennen und es im besten Fall zu Fuß noch einholen. Das Gepäck würde derweil schon nicht geklaut werden.

Doch Pustekuchen, der Kerl im Taxi war schon weg.

Also rein in die Phase zwei des Kampfes: Verbündete suchen. In anderen Worten: die kompetenteste Angestellte am Airport ausspähen, bei der ich mit meinem Armer-armer-Peter-Blick binnen Sekunden eine grenzenlose Hilfebereitschaft auslösen kann. Und ihre Kompetenz nutzen bei der Suche nach diesem… sagen wir: weißen Taxi mit vier Rädern. Ja, genau dieses eine! Sie wird schon wissen, wie man es von den 1.000 anderen Taxis unterscheidet.

Klar, das wir binnen weniger Minuten die Handynummer des Fahrers hatten – anfangs zwar mit Nummerndreher, aber auch der lies sich rasch identifizieren. Nun galt es noch den Fahrer angesichtes des Staus dazu zu bewegen, sein Taxi stehen zu lassen und zu Fuß (!) zurück zum Airport zu rennen. Auch das kein Problem. Kurze Zeit später hatte ich mein Portemonnaie wieder, und der Taxifahrer sein Trinkgeld des Monats.

Doch kaum stellte sich das Gefühl der Oberhand wieder ein, schlug mein Reisemonster erneut zu. Dieser Moment, das gebe ich zu, war gut gewählt. Denn ich wähnte mich sicher und schrieb in Gedanken längst an diesem Blogpost.

Beim schnellen Kauf eines belegten Brotes (diese Zeit musste einfach noch sein), blieb meine Kreditkarte nämlich schon wieder heimlich zurück – während ich scheinbar siegessicher zum Gate hechtete.

Erfahrene Kämpfer mit eigenen Reisemonstern wird es kaum verwundern, dass mein Flieger dann nach zweimaliger Sicherheitsprozedur (Eingang der Crew benutzt, klar!) genau die Verspätung hatte, die ich brauchte, um exakt als letzter an Bord zu rennen.

Alles andere wäre auch viel zu langweilig und ließe sich nicht bloggen.

Stimmt’s, Helge?

About Peter Eich

Mathematiker und Philosoph eigentlich, Seriengründer und Investor tatsächlich. Gründer von Inselhüpfen, Radweg-Reisen, Bikemap, Toursprung, Tourbook, Bodensee-Verlag, und Cyclesummit. Außerdem Referent, Immobilien-Investor, Pilot, NLP-Coach und Barista. Und meistens unterwegs.