Sichtflug + Instrumentenflug = medialer Blindflug

Dieser Tage erscheint kaum ein Artikel in den Medien, in dem nicht ein paar fliegerische Begriffe falsch verwendet werden.

Es beginnt mit dem Luftraum über Deutschland, der einerseits gesperrt sein soll, in dem andererseits jedoch ohne Pause geflogen wird – unter anderem von mir selbst.

Der Luftraum besteht aus verschiedenen KLASSEN, die sich in der Regel übereinander schichten (Ausnahmen sind zB die Gebiete über größeren Flughäfen). Diese Klassen sind von Land zu Land verschieden aufgebaut, und selbst in Deutschland sind sie im Detail zu komplex (haben zu viele Ausnahmen), um sie hier genau zu beschreiben. Ich vereinfache also im Folgenden stark.

Grob gesagt sind die unteren Lufträume…

…UNKONTROLLIERT und die oberen KONTROLLIERT.

Die wichtigesten beiden Lufträume heißen G wie „Golf“ und C wie „Charlie“.

Der Luftraum G ist unten und UNKONTROLLIERT, der Luftraum C ist oben und KONTROLLIERT. Die Grenze zwischen G und C liegt meist bei 10.000 Fuß, also auf 3.048 Meter Höhe über dem Meer.

Warum (und was) wird oben kontrolliert und unten nicht?

Grob gesagt fliegt über 10.000 Fuß alles nach Anweisungen der „Controller“, also meist der Deutschen Flugsicherung. Hier wachen also Fluglotsen genau darüber, welches Flugzeug wie schnell in welcher Höhe in welche Richtung fliegt. Den Piloten wird also ein wenig Verantwortung und viel Freiheit abgenommen. Einfach mal die Höhe wechseln oder einen Kreis fliegen ist hier nicht drin. Im kontrollierten Flug ist somit eine viel höhere Verkehrsdichte möglich. Die Flieger bewegen sich sozusagen wie auf Autobahnen und kommen sich nicht in die Quere.

Zumindest meistens. Eine Aunahme war der Zusammenstoß zweier Jets über dem deutschen Bodensee im Jahr 2002, als erstens ein Schweizer Controller zweitens nicht aufgepasst hat. Aber darum geht es hier ja nicht.

Unter 10.000 Fuß hingegen bestimmt der Pilot in jedem Moment selbst, wohin er fliegt. Dafür muss er auch ständig raus schauen um sicher zu sein, dass ihm niemand in die Quere kommt. Man hält einen größen Abstand, weil kein Pilot vom anderen weiß, was er als nächsten machen wird.

Etwas genauer betrachtet muss man zusätzlich zwischen…

…INSTRUMENTENFLUG und SICHTFLUG unterscheiden.

Lufträume sind nämlich kontrolliert oder unkontrolliert. Die Flugzeuge darin bewegen sich hingegen im Sichtflug oder im Instrumentenflug. Das hängt zwar meistens zusammen, aber nicht immer.

Wenn ein Pilot im Sichtflug unterwegs ist, dann schaut er zum Fenster raus und weiß Bescheid. Dazu muss er draußen aber auch was sehen können. Zum Beispiel wo er sich befindet und wo unten ist. Vor allem letzteres ist nämlich verdammt wichtig und lässt sich mit geschlossenen Augen nicht immer feststellen.

Sichtflug in Wolken ist also unmöglich. Wenn ein Pilot im Sichtflug sich einer Wolke nähert, dann fliegt er kurzerhand außen rum.

Und Sichtflug über 10.000 Fuß ist meistens nicht erlaubt.

Ergo: Sichtflug geht nur unten und bei schönem Wetter.

Instrumentenflug hingegen ist etwas anspruchsvoller. Instrumentenflug geht im Wesentlichen ohne Fenster, dafür aber mit viel mehr kompliziert aussehenden Instrumenten im Cockpit. Piloten mit einem so genannten IFR-Rating für Instrumentenflug sind darum auch arrogante Säcke.

Instrumentenflug geht auch bei schlechtem Wetter, in Wolken und bei Nacht. Im unkontrollierten Luftraum („unten“) kann ein Instrumentenflieger also bei jedem Wetter fliegen, also auch dann, wenn es gar keinen Spaß macht. Braucht kein Mensch.

Im kontrollierten Luftraum („oben“) hingegen bekommt der Instrumentenflieger vom Controller die Freiheit abgenommen, selbst darüber zu bestimmen, wo genau er fliegt. Das bestimmt nämlich der Controller. Und weil der Controller meist sehr weit weg sitzt, wenn er seine Anweisungen gibt, muss der Instrumentenflieger im kontrollierten Luftraum zB stets darauf gefasst sein, auch in eine Wolke geschickt zu werden. Wichtig zu merken ist hier: der Instrumentenflieger entscheidet nicht selbst über seinen Weg, sondern der Controller. Der Instrumentenflieger hat also keine Freiheit, thus he has no balls.

Ganz stark vereinfacht fliegen die kleinen Propeller-Flugzeuge unkontrolliert unten im Sichtflug, und die Passagier-Jets fliegen kontrolliert oben im Instrumentenflug. Bei Start und Landung reicht der kontrollierte Luftraum dann bis runter zu den großen Flugplätzen, um die kleine Flugzeuge wiederum einen großen Bogen machen müssen.

Oder noch eine andere Merkhilfe: wer als Pilot vor seinem eigenen Bugrad sitzt, fliegt kontrollierten Instrumentenflug, ist also nur ein Busfahrer in 3D. Wer als Pilot hingegen hinter seinem eigenen Bugrad sitzt, ist ein echter Pilot.

Oder in einem Satz ohne Komma: Nur wer sein eigenes Flugzeug fliegt ist ein Held.

Doch genug der Seitenhiebe auf meinen Schulfreund, der schon immer größere Flugzeuge fliegen durfte als ich, und weiter zum…

…BLINDFLUG

Wenn Spiegel.de also scheibt, dass der „Luftraum über Deutschland gesperrt“ wäre, so ist das ein medialer Blindflug. Denn der unkontrollierte Luftraum unter 10.000 Fuß war zu keiner Zeit gesperrt.

Wenn Bild.de schreibt, dass Sichtflug „bis 3.000 Meter tief“ stattfinden können würde, so ist das ebenfalls Blindflug. Denn der unkontrollierte Sichtflug findet unter dieser Höhe statt und nicht darüber.

Und wenn Verkehrsminster Ramsauer den Flug durch die hömöopatische Aschewolke nur im Sichtflug erlaubt, so ist das nichts als Blendwerk. Bei Sichtflug ist die Asche nicht mehr oder weniger gefährlich als bei Instrumentenflug. Allein will er die Verantwortung über die Streckenwahl von der Flugsicherung zum Piloten verlagern.

Oder in anderen Worten: er will das Fliegen nicht sicherer machen, sondern nur nicht Schuld daran sein, falls etwas passiert.

PS: Ich habe gar kein eigenes Flugzeug :(

About Peter Eich

Mathematiker und Philosoph eigentlich, Seriengründer und Investor tatsächlich. Gründer von Inselhüpfen, Radweg-Reisen, Bikemap, Toursprung, Tourbook, Bodensee-Verlag, und Cyclesummit. Außerdem Referent, Immobilien-Investor, Pilot, NLP-Coach und Barista. Und meistens unterwegs.