Verlage und das neue Jahrtausend

Das Beste am Autofahren ist der Deutschlandfunk – ich kenne keinen besseren Radiosender.

Als ich gestern kurz in meinem Auto fuhr, hörte ich eine Sendung zum Jahr der Chemie, in der drei lesenswerte populärwissenschaftliche Sachbücher vorgestellt wurden, darunter auch „Kettenreaktion“ von Hubert Mania.

Ich wollte das Buch sofort lesen, hielt kurz an und suchte mit meinem iPhone nach dem Buch, so lange ich mir Autor und Titel noch merken konnte.

Doch weder in iBooks noch im Kindle-Store war der Autor bekannt.

Einzig bei Amazon könnte man den Titel „auf toten Bäumen“ kaufen – mit einer Lieferzeit von 9 bis 12 Tagen.

Mir geht es weder darum Bäume oder gar die ganze Welt zu retten, schließlich fuhr ich gestern mit dem Auto und nicht im Zug.

Vielmehr bin ich überzeugt davon, dass Bücher auf Papier eine richtig gute Idee waren. Und zwar vom 15ten Jahrhundert bis zum Ende des letzten Jahrtausends. Also bis vor etwa 11 Jahren.

Doch ich lebe in der Gegenwart, und der Zeiger der Jahrtausende ist mittlerweile um einen Zähler weiter gerückt – auch wenn die meisten deutschen Verlage das entweder noch nicht bemerkt haben, oder es schlicht nicht wahr haben wollen.

Mich interessiert weder ein bestimmtes Stück Papier, noch lege ich Wert darauf, dass umständlich im Voraus eine Tonne davon bedruckt, gebunden, gelagert, versendet und vorfinanziert wird. Mich interessiert nur das Buch – und das ist nicht seine willkürliche physische Form, sondern sein Inhalt. Und der könnte vier Sekunden später auf meinem iPad sein und nicht erst 12 Tage später in meinem Bücherregal.

Nachdem ich auf Twitter und Facebook meinen Ärger kund getan hatte, bekam ich wenige Augenblicke später von einem befreundeten Autor den Hinweis darauf, dass man das Buch sehr wohl digital erwerben könne.

Gelesen – getan. Ich bezahlte also 19,90 Euro für ein „epub eBook“, lud mir pflichtbewusst Adobe Digital Editions herunter, und begann mich bereits zu ärgern. Was für ein schreckliches Programm, jenseits jeder Usability. Doch so richtig enttäuscht wurde ich erst, als ich feststellte, dass ich das Buch weder auf meinem iPad noch auf dem iPhone lesen konnte.

Hallo – wie ungemütlich es denn ein Buch auf dem Bildschirm meines MacBook hinter 79 leuchtenden Tasten zu lesen?

Klar, theoretisch konnte ich das gekaufte Buch nun lesen. Aber theoretisch gibt es auch schon seit 10 Jahren Vorgänger des iPad, die alle wesentlichen Funktionen beinhalteten.

Doch FAKTISCH kommt es auf die Benutzerfreundlichkeit an. Und wer mir für 20 Euro ein Buch verkauft, das ich nur am Schreibtisch lesen kann und weder gemütlich im Bett noch gemütlich in meinem Lesesessel, der gewinnt in mir keinen benutzenden Freund, sondern nur einen enttäuschten Kunden.

Trotz aller Versuche und Workarounds konnte ich mein neues und durch mein Adobe-Passwort vor mir selbst (!) geschütztes Buch nicht dort lesen, wo ich alle meine Bücher lese: auf meinem iPad.

Die Email-Adresse des Autors konnte ich auf die Schnelle nicht finden. Darum wurde ich „Freund“ vom Rowohlt-Verlag und schrieb meinen Frust an dessen Facebook-Wall sowie per Twitter in dessen Stream.

Als ich einen Tag später mein digitales Fenster öffnete, fand ich jede Menge an mich persönlich gerichtete Tipps, wie ich den DRM-Schutz von meinem digitalen Buch entfernen könne, um es anschließend bequem dort zu lesen, wo ich es lesen möchte.

Schließlich kaufe ich mir kein Buch, das ich anschließend nur am Schreibtisch unter Neonlicht lesen darf und das unsichtbar wird in dem Moment, wo ich es in mein Wohnzimmer trage. Teufelnochmal!

Also googelte ich ein wenig herum und stellte ohne Erstaunen fest, dass ich weder der erste noch der einzige mit diesem Problem bin, und dass andere Leute längst diverse Lösungen aufgeschrieben haben, wie ich mein Problem lösen kann.

Kein Wunder sind „Raubkopien“ von Büchern plötzlich die größte Bedrohung von Verlagen. Wer sich dem Verlauf der Geschichte nicht stellt, an dem geht die Geschichte nämlich einfach vorüber.

Und in diesem Zusammenhang bitte nicht Verlage mit Büchern, Autoren, Buchkultur und Kultur verwechseln. Alle Letzgenannten können nämlich sehr gut leben ohne die Verlage. Und vielleicht sogar noch besser als mit ihnen.

Mit einer gewissen Ironie der zeitlichen Abfolge antwortete mir exakt 7 Minuten zu spät übrigens der Rowohlt-Verlag.

About Peter Eich

Mathematiker und Philosoph eigentlich, Seriengründer und Investor tatsächlich. Gründer von Inselhüpfen, Radweg-Reisen, Bikemap, Toursprung, Tourbook, Bodensee-Verlag, und Cyclesummit. Außerdem Referent, Immobilien-Investor, Pilot, NLP-Coach und Barista. Und meistens unterwegs.