Das Buch ist tot! – Und mit ihm seine Preisbindung

Heute hat Amazon Deutschland endlich seinen Ebook-Store eröffnet und bietet die digitalen Inhalte von 650.000 Büchern zum Verkauf an.

Was genau kann man dort eigentlich kaufen? Ist es der Scan eines gedruckten Buches? Oder ist es die digitale Vorstufe des Buches? Oder die Idee des Buches? Oder sein purer Inhalt?

Heißen die Dinger nun Bücher, Ebooks, iBooks oder Kindle-Inhalte?

Heute ist also endlich auch in Deutschland der große Damm gebrochen, hinter dem sich preisgebundene Verlagsprodukte auf toten Bäumen vor der größten Erfindung seit dem Buchdruck sicher glaubten – dem Internet. Wie spannend!

Ein Kindle-Besitzer kauft über 3 Mal so viele… äh… „Bücher“ bei Amazon wie er es ohne Kindle tat. Der Durchschnittspreis eines Ebooks liegt bei über 10 Euro, und aus meiner eigenen Erfahrung kann ich bestätigen, dass ich viel mehr lese, seit iPad, Kindle und Co.

Lesen ist einfacher geworden, und damit auch wieder häufiger.

Das Buch ist tot!

Der Markt des Bücherschreibens wird sich massiv verändern (vermutlich verbessern), und der Markt des klassischen Bücherverlegens, -druckens, -finanzierens und -verkaufens wird wohl massiv einbrechen. Sei’s drum!

Bislang waren mein Lesefutter vor allem Web-Inhalte (also Texte im Internet) und englische Ebooks. Seit heute lassen sich  die Mehrzahl der Neuerscheinungen auch legal auf das Lesegerät bekommen, und ich bin mir sicher: meine (stattliche) Bücherwand wird nicht weiter wachsen. Sie ist so tot, wie alle dafür gefällten Bäume.

Die vordergründige Gemütlichkeit meines breiten Alphabetikerregals und seine hintergründige Ego-Funktion („oh, so viele Bücher hast du“) sind nun ebenfalls ein Teil der Vergangenheit.

Bücher besitzt man nicht mehr, sondern man hat sie gelesen und eventuell auch verstanden. Man kann Bücher nun nicht mehr greifen, sondern nur noch begreifen. Man hat sie im Kopf und im Kindle (etc.), aber niemand sieht mehr die Bücher, die ich lese und gelesen habe. Sondern nur noch das, was ich eventuell daraus mache.

Und noch was: In Deutschland gibt es eine Buchpreisbindung. Sie wird fallen!

Das Buch hat seine (äußere) Form verloren!

Denn digital gibt es nicht länger die begriffliche Abgrenzung des Wortes „Buch“. Es gibt Texte im Web. Es gibt Texte, an die man über das Web gelangt. Manche davon sind gratis (wie dieser Blogpost), andere hingegen kosten Geld (wie zB der Artikel in der FAZ von heute über den neuen Kindle-Store).

Andere Texte sind digitale Versionen gedruckter (und preisgebundener) Bücher, und dann gibt es noch (zunehmend viele) digitale „Bücher“, die Geld kosten und niemals auf Papier gedruckt werden. Doch zwischen diesen digitalen Büchern und einem langen Artikel in der FAZ gibt es keine klare Grenze mehr, denn das Buch hat seine äußere Form verloren!

Und damit ist auch die Bezugsgrenze der Buchpreisbindung verloren gegangen. Es ist also völlig belanglos, ob der Börsenverein des Buchhandels (wie vor 2008) zum Schluss kommt, dass digitale Bücher der Buchpreisbindung nicht unterworden sind. Oder ob derselbe Verein (seit 2008 und aus Angst vor Veränderung) plötzlich die gegenteilige Meinung vertritt.

Denn der Börsenverein hätte sicher auch die Erfindung des Buchdrucks als Bedrohung (z.B. der Buchschreibekunst) gesehen und sein Verbot gefordert.

Das Buch ist tot! – Es lebe der Text!

Wenn die Form des Buches sich auflöst, dann bleibt der pure Text. Und um einen (guten) Text vom Schreiber zum Leser zu bringen, braucht es keine Zwischenschritte mehr.

Vor 20 Jahren hätte ich einen eigenen Verlag finanzieren und betreiben müssen, um diesen Blogpost in die Welt zu posaunen. Es wäre mir damals nicht möglich gewesen – und heute geht es mit einen Federstrich.

Und genau so leicht ist es heute für einen Autor seine Leser zu erreichen. Eine der vielen neuen Möglichkeiten ist Amazons Kindle Direct Publishing (KDP). Ich schreibe einen Text, lade ihn hoch, bestimme den Preis, gebe meine Kontonummer ein, und danach steht das „Buch“ online zum Verkauf. Dafür behält Amazon 30% des Verkaufspreises, und 70% gehen an mich.

Bislang musste ich zuerst einen Verlag finden. Der hat meinem Buch seine Form gegeben, hat es finanziert (zB 5.000 Exemplare gedruckt und gelagert), hat es vertrieben (also an einen Großhandel in Kommission gegeben), der es an einen Buchladen vertrieben hat, und der wiederum stellte Verkaufsfläche zur Verfügung in der Hoffnung, dass das Buch von einem daher gelaufenen Leser gesehen und gekauft wurde.

Was für ein Aufwand! Viel zu umständlich. Viel zu teuer. Viel zu langsam. Viel zu indirekt, denn:

  1. Der Kunde des Autors war nicht der Leser, sondern der Verlag.
  2. Der Kunde des Verlags war nicht der Leser, sondern der Großhändler.
  3. Der Kunde des Großhändlers war nicht der Leser, sondern der Buchhandel.
  4. -> Aber jeder hat daran verdient!

Bislang musste der Autor 90% des Buchpreises an die vielen Zwischenhändler abgeben. Nun sind es nur noch 30%. Der Erlös des Autors hat sich also versiebenfacht. Das alleine ist Grund genug für die Tatsache, dass sich diese Veränderung nie wieder umkehren lässt.

Interessant ist ein kritischer Blick in das Gesetzt zur Buchpreisbindung.

Im einleitenden Paragrafen zu seinem Zweck heißt es:

Das Gesetz dient dem Schutz des Kulturgutes Buch. Die Festsetzung verbindlicher Preise beim Verkauf an Letztabnehmer sichert den Erhalt eines breiten Buchangebots. Das Gesetz gewährleistet zugleich, dass dieses Angebot für eine breite Öffentlichkeit zugänglich ist, indem es die Existenz einer großen Zahl von Verkaufsstellen fördert.

Drei Dinge lese ich darin:

1) Geschützt werden soll also das Buch. Ist damit die (Verkaufs-) Form des längeren Textes gemeint, oder der Text selbst?

2) Ziel des Gesetzes ist ein breites Buchangebot. Also sollte sich der Gesetzgeber darüber freuen, dass Autoren nun 7 Mal so viel verdienen können wie bisher. Es wird nämlich sehr viel mehr Autoren geben als früher. Und weil die Einstiegshürde „Verlag“ wegfällt, wird es auch sehr viel mehr verschiedene Ebooks geben.

3) Die Zugänglichkeit des Buchangebots soll gewährleistet werden. Früher dachte man dabei an die Zahl der Buchhandlungen. Ein jedes Kindle hat aber eine eingeaute Buchhandlung. In nur 10 Sekunden ist jedes verfügbare Buch darauf geladen. Von überall. Weltweit. Gratis.

Früher musste man zum Buch(händler) gehen, um es zu erwerben. Heute kommt das Buch zu einem nach Hause.

Mein Fazit:

Die Ziele des Preisbindungsgesetztes sind alle erfüllt – egal ob Bücher preisgebunden sind oder nicht. Ein mutiger Politiker würde darum die Buchpreisbindung ersatzlos abschaffen.

Wetten, dass unsere internetausdruckenden Offlinevolksvertreter das nicht kapieren?!

About Peter Eich

Mathematiker und Philosoph eigentlich, Seriengründer und Investor tatsächlich. Gründer von Inselhüpfen, Radweg-Reisen, Bikemap, Toursprung, Tourbook, Bodensee-Verlag, und Cyclesummit. Außerdem Referent, Immobilien-Investor, Pilot, NLP-Coach und Barista. Und meistens unterwegs.