„Werte versus Ziele“ versus Ziele

In den letzten Wochen bin ich unruhig geworden. Und zwar tief innen. Mein Fokus ist mir verloren gegangen, und es kommt mir vor, als würde ich kaum noch konzentriert an einer Sache arbeiten, sondern vielmehr mit jedem zweiten Atemzug wieder etwas anderes beginnen oder fortsetzen – und nur selten bis zu einem gefühlten Ende bringen.

Dieses sprunghafte und rekursive Arbeiten ist nicht nur eine Folge meiner inneren Unruhe, sondern es ist auch eine ihrer Ursachen.

Ich spüre diese innere Unruhe mitunter daran, wie viel größer mein Verlangen nach äußerer Ruhe geworden ist. Was innen fehlt, scheine ich von außen kompensieren zu wollen.

Ein paar Beispiele:

– Bücher und Geschichten von Aussteigern liegen auf meinem Tisch, und ich ziehe sie alle den schon viel länger wartenden andern Lektüren vor.

– Meine geräumige Zweitwohnung in Wien wechsle ich gerade zu einer viel kleineren Wohnung, und ich freue mich plötzlich alleine deswegen auf diese neue spartanischen „Zelle“, weil ich mir von der Abwesenheit von Dingen dort einen konzentrierteren Alltag ohne Ablenkung verspreche.

– Ich habe einen viel größeren Wunsch nach Meditation, Einkehr, Konzentrationsübungen, Langstreckenlauf und Alleinsein als sonst.

– Viel lieber als in meiner Wohnung würde ich gerade in meinem Zelt schlafen. Irgendwo auf einer Wiese an einem Bach. Bei einer Wanderung oder eine Radtour, begleitet nur von den wichtigsten Habseligkeiten, die in meinen Rucksack oder auf das Fahrrad passen, und mit nur einer so abwechslungslosen Tätigkeit wie Wandern oder Radfahren.

Dies alles sind für mich Zeichen dafür, dass etwas in mir nicht mehr so sehr im Lot ist, wie es sein könnte und sollte. Ich fühle eine Unaufgeräumtheit um mich herum und reagiere spontan mit dem Wunsch nach einem Rückzug.

Ganz konkret ist mir im Moment nicht klar, wie viele offene Aufgaben ich eigentlich vor mir habe. Aber es sind viele. Mir fehlt der Überblick, und ich weiß, dass ich damit im Hintertreffen bin, und dass ich ab- statt vorarbeite.

Ein treffsicheres Indiz dafür ist die Inbox meiner Emails. Da ich abgearbeitete und erledigte Emails entweder lösche oder gezielt ablege, ist die Fülle meiner Inbox mein Maß für unerledigte Aufgaben. Und sobald ich die offenen Mails nicht mehr in einem Fenster überblicken kann, wächst dieses Gefühl von Unsicherheit. Denn ich weiß nicht mehr, wie viele dringende und wichtige Dinge sich in dieser Liste noch verbergen.

In ruhigen Minuten und mit etwas Abstand merke ich, dass am Grund dieses Übels meine Ziele und meine Werte nicht mehr im fühlbaren Einklang sind. Und das halte ich für die Ursache dieser geschilderten Unruhe.

Was genau meine ich damit?

Meine Ziele, das sind einerseits große wie kleine Dinge. Und im Moment vor allem die noch unerledigten Aufgaben. Also meine ToDo-Liste mit den vielen kleinen Aufgaben und auch den dahinter stehenden größeren Zielen. Also alles, woran ich gerade arbeite.

Übrigens steht nicht hinter jeder Aufgabe ein großes Ziel. Und je weniger Aufgaben erkennbar einem großen Ziel dienen, desto… aber genau darum geht es gerade.

Und meine Werte sind andererseits das, was mir wirklich wichtig ist. Meine Werte sind mir nicht immer bewusst. So bin ich zum Beispiel freiheitsliebend. Und mich frei zu fühlen ist ein wichtiger Wert für mich. Dennoch denke ich oft nicht daran, wie sich dieser Wert gerade zu und in meinem Alltag verhält.

Wenn nun meine Ziele und meine Werte nicht mehr im Einklang miteinander sind, so kann dies zwei Ursachen haben.

Entweder meine Ziele passen nicht zu meinen Werten, oder meine Werte passen nicht zu meinen Zielen. Oder natürlich von beidem etwas.

Spontan und vor allem dem Wortlaut nach messe ich meinen Werten einen höheren Wert zu als meinen Zielen. Doch je länger ich darüber nachdenke, desto eher bin ich bereit es genau anders herum zu begreifen und meine Werte sich am meinen Zielen messen zu lassen.

Gute Werte sind danach solche, die dem Erreichen meiner Ziele dienen.

Auf den zweiten Blick ist das nämlich nicht nur viel harmloser als es klingt, sondern auch nachhaltig und ganzheitlich erfüllend.

Wenn es nämlich meine Freiheitsliebe ist, die mich davon abhält, dass ich eine Aufgabe zuerst zuende bringe, bevor ich eine neue beginne, so tut dieser Wert nicht anderes als mich daran hindern meine Ziele zu erreichen,

Oder wenn ich dazu geneigt bin, stets die Metaaufgabe der Aufgabe selbst vorzuziehen, so ist das zwar philosophisch spannend und im besten Fall lesenswert.

Doch schadet es nichts, wenn ich statt über das Prokrastinieren zu reflektieren und über den Ziele-Werte-Konflikt einen kleinen Aufsatz zu schreiben, einfach meine Aufgabenliste priorisiere und dann ratzfatz die dringendsten und wichtigsten Teile davon abhaken kann.

Aber das ist nun mal leichter gesagt als getan ;)

Oder?

 

PS: Dieser Blogpost umfasst 755 Wörter, und das ist kein Zufall, denn ich bin heute morgen bei Brandon Pearce über einen interessanten Link gestolpert.

About Peter Eich

Mathematiker und Philosoph eigentlich, Seriengründer und Investor tatsächlich. Gründer von Inselhüpfen, Radweg-Reisen, Bikemap, Toursprung, Tourbook, Bodensee-Verlag, und Cyclesummit. Außerdem Referent, Immobilien-Investor, Pilot, NLP-Coach und Barista. Und meistens unterwegs.