Openstreetmap = Wikipedia des Ortswissens

Im Dezember 2007 verglich der Stern die Enzyklopädien Wikipedia und Brockhaus miteinander und erklärte dabei Wikipedia zum klaren Sieger.

Ab diesem Moment war auch vielen Offlinern klar, dass User Generated Content und Crowdsourcing eine bisher nicht gekannte Quelle für große und präzise Datensammlungen sein können. Statisch redaktionell gepflegte Inhalte (wie die des Brockhaus) können weder in Umfang, Aktualität noch Qualität mithalten, wenn sich zehntausende Freiwilliger um den Aufbau einer gemeinsamen großen Online-Enzyklopedie bemühen.

In Wikipedia sind 10 Millionen Artikel in 250 Sprachen enthalten (davon 2,3 Millionen auf Englisch und 750.000 auf Deutsch, Quelle).

Man schätzt, dass auf 100 Leser einer kommt, der eine eventuelle Korrektur in Wikipedia vornimmt (also auf 100 passive User kommt ein aktiver User). Unter 100 solcher Korrektoren befindet ich jedoch nur einer, der auch einen ganzen Artikel geschrieben und initiiert hat.

Gründe für dieses Verhältnis liegen auf der Hand – man will sich kurz über etwas informieren und hat gar keine Zeit, um von der passiven in die aktive Rolle zu wechseln. Außerdem ist die Hemmschwelle für viele eine große Hürde.

Ein dritter Grund ist bei Wikipedia das mangelnde Fachwissen. Wenn ich beispielsweise den hervorragenden Artikel über das Konstanzer Münster lese, so wüsste ich nicht, was ich daran noch verbessern könnte – selbst ohne Zeitmangel und ohne Hemmschwelle bin ich einfach nicht Experte genug, um weiter daran zu arbeiten.

Die Open Street Map (OSM) ist analog zu Wikipedia eine von bisher 30.000 Freiwilligen erstellten Karte der Welt (bei Wikipedia sind es über 280.000 registrierte und eine unbekannte Zahl von nicht registrierten Autoren).

Betrachte ich  das Konstanzer Münster auf OSM, so fallen mir sofort etliche Möglichkeiten auf, wie man diese Karte dort noch verbessern könnte.

Anders als bei Wikipedia hat jeder User der OSM ein gewisses Fachwissen – weil sich jeder von uns in seiner unmittelbaren Heimat besser auskennt als alle anderen.

Jeder von uns ist ein Experte in Ortswissen.

Auch wenn dieser Ort mitunter nur einen Steinwurf Durchmesser hat.

Darum tickt die Uhr für statisch redaktionell gepflegte Karten. Sie bleiben im besten Fall auf gleichem Niveau, und die crowdgesourcte OSM wird mit jedem Tag besser. Unaufhaltsam. Tag für Tag.

Was die OSM für mich als Web-Unternehmer und Touristiker so überaus spannend macht, ist die Fülle an touristisch relevanten Daten, die in der OSM ihren Platz haben: Hier ist die Liste der Map-Features. Darin enthalten sind z.B. Tags für Bankautomaten, Farradverleihe, Apotheken, Bäckereien, Hotels, Campingplätze, Strände und vieles mehr.

Was gäbe ich (und jeder meiner Mitbewerber) für dieses Wissen… Und vor allem: was gäben uns die Medienkonzerne für ein Projekt, das dieses Wissen bereits besitzt ;)

Zum Glück ist die OSM unverkäuflich und – salopp gesagt – Allgemeingut.

Ein kleines Beispiel aus meinem Alltag: in Bikemap sind etwa 5.000 deutsche Fahrradläden enthalten. Wer dort z.B. diese Route anschaut, kann sich alle an der Route gelegenen Fahrradläden einblenden lassen.

Fahrradläden in Bikemap – das ist nur eine Idee von vielen anderen, die wir noch nicht umgesetzt haben. Das Zusammentragen dieser 5.000 Adressen war aufwändig. Also teuer.

Darum würden wir mit diesem Wissen gerne etwas Geld verdienen. Zum Beispiel, indem wir für einen Eintrag 10 Euro pro Jahr verlangen. Aber der Aufwand für Kommunikation und Inkasso ist uns zu groß.

Im zweiten Schritt haben wir versucht strategische Partner zu finden, mit denen wir ein Paket schnüren können („zahle 20 Euro im Jahr, und du bist auf Bikemap und auf XYZ“). Aber auch das ist uns zu aufwändig.

Vor allem müssten wir für jede Daten-Art eine eigene Strategie entwickeln. Das ist uns viel zu aufwändig.

Die Konsequenz ist, dass außer Fahrradläden momentan fast keine anderen Daten in Bikemap angezeigt werden. Eigentlich schade – denn für den Benutzer sind solche Daten ein willkommener Mehrwert.

Mit jedem Tag wird die OSM besser. Je besser sie wird, desto häufiger wird sie verwendet. Und je häufiger sie verwendet wird, desto mehr User kennen und pflegen sie. Und desto schneller wird sie besser. Tag für Tag.

Da hat also eine Spirale begonnen, die um ein Produkt kreist, das am Ende alle unsere Bemühungen um touristische Ortsdaten in den Schatten stellen wird.

Darauf freue ich mich schon.

About Peter Eich

Mathematiker und Philosoph eigentlich, Seriengründer und Investor tatsächlich. Gründer von Inselhüpfen, Radweg-Reisen, Bikemap, Toursprung, Tourbook, Bodensee-Verlag, und Cyclesummit. Außerdem Referent, Immobilien-Investor, Pilot, NLP-Coach und Barista. Und meistens unterwegs.