Fördergelder schaden dem Bodensee

Die touristische Region Bodensee ist einerseits reich und verwöhnt: im Sommer, wenn die Touristen in Massen strömen, werden hier die Speisekarten auf Touristenmenüs reduziert und die Preise auf Touristenniveau angehoben. Zwischen Juni und August werden die Kellner hektisch und unfreundlich. Es gilt das schnelle Geld zu machen.

Hotels sind bei uns teurer und schlechter als in anderen Regionen Deutschlands (ich weiß, wovon ich rede, denn wir buchen allein am Bodensee mehr als 30.000 Übernachtungen für unsere Gäste), der Innovationsdruck ist gering, denn sommers ist eh jedermann ausgebucht.

Durch die Trägheit der touristischen Massen entsteht somit eine existentielle Gefahr. Sollte man irgendwann feststellen, dass die Destionation plötzlich nicht mehr gefragt ist, so haben die konkurrierenden Destinationen bereits 10 Jahre Vorsprung im Ausbau von Infrastruktur, Know-How und Markenbildung.

Andererseits liegt der Bodensee am Rande der EU und wird trotz seines Wohlstandes von Fördergeldern geradezu überschüttet. Kurzfristig gedacht ist das sicher erfreulich, denn „man“ kann seine ohnehin geplanten Projekte ein wenig in die gewünschte Ausschreibungsform bringen, und schon bekommt man 30, 50 oder 70% der Kosten erstattet.

Die Kehrseite dieser Medallie ist ein brutaler Verwaltungsaufwand. Fördergelder werden von Ämtern (oder deren rapportpflichtigen Stellvertretern) vergeben, und entsprechend lang sind die Formulare und die Arbeit an denselben. Wer noch kein Interreg-Projekt administrativ begleitet hat, weiß nicht, wovon ich rede.

Durch die jahrelange Erfahrung im Abgreifen von Fördergeldern entstehen ganz eigene Kompetenzen. Wird am Bodensee ein Seminar über Web-Marketing angeboten, so muss man es am Ende mangels Interesse absagen. Wer hingegen etwas über die Vergaberichtlinien von Fördergeldern erzählt, kann sich eines vollen Veranstaltungsraumes sicher sein.

Besonders schädlich sind Fördergelder dort, wo nur ihretwegen Projekte entstehen. Sie sind meist komplett sinnlos, niemand will sie haben, ihr einziger Zweck ist die Subventionierung von bereits vorhandenen Stellen, die eh meist nur geschaffen wurden, um Fördergelder zu verwalten.

Im echten Leben schafft die Nachfrage das Angebot. Bei Subventionen ist es jedoch anders herum, hier bestimmt das Angebot die Nachfrage.

Und so hat sich die Bodensee-Region im Laufe der Jahre zu einem Kompetenzzentrum für Fördergelder gemausert. Dort, wo andere Tourismus können, kennen wir uns mit Fördergeldern aus.

Ein Job im Tourismus bekommen hier vor allem jene, die kraft ihrer Fördergelderfahrungen in der Lage sind, ihre eigenen Stellen durch entsprechende Gelder zu refinanzieren.

So gesehen in der Stellenausschreibung der Stadt Konstanz für den Geschäftsführer zu den Feierlichkeiten des Konstanzer Konzils.

Eine der fünf wichtigsten Aufgaben bei der Organisation eines guten Jubiläums ist scheinbar der Umgang mit Fördergeldern.

Update: Hmmm, „du wärst ein schlechter Diplomat geworden“ schreibt einer, und ein anderer sagt, ich würde nun niemals mehr Fördergelder erhalten können. Vermutlich haben beide Recht.

About Peter Eich

Mathematiker und Philosoph eigentlich, Seriengründer und Investor tatsächlich. Gründer von Inselhüpfen, Radweg-Reisen, Bikemap, Toursprung, Tourbook, Bodensee-Verlag, und Cyclesummit. Außerdem Referent, Immobilien-Investor, Pilot, NLP-Coach und Barista. Und meistens unterwegs.