Der grüne Bart

Mein liebster Essay über den Bodensee (which is: mein liebster See) stammt von Hermann Kinder, und er scheibt von der Abgerundetheit der Landschaft, der Sämigkeit der Luft, und er erwähnt darin den sogenannten grünen Bart, der einem als Provinzblinder vom Bodensee mit der Zeit wächst.

Der grüne Bart ist eine Metapher von Martin Walser* (auch er wohnt hier), der einen vergessen lässt, wie die anderen Menschen leben, hinter dem (mitunter nicht sehr weiten) Horizont, der uns umgibt.

Dieser Horizont wiederum ist es, den man regelmäßig überschreiten muss, um der Provinzblindheit zu entgehen – und um zu kontrollieren, ob das, was bei uns nur im Feuilleton steht, woanders auch wirklich passiert.

Die Mönche im späten Mittelalter, also lange nachdem die Reichenau der intellektuelle Nabel der westlichen Welt war, und lange bevor AirBerlin mehrmals täglich in die Metropolen flog, diese Mönche zogen ihren Horizont entsprechend eng. Sie blieben oder wurden provinzblind, ihnen wuchs dieser grüne Bart, und ihre Klöster gingen alsbald müßigganggesättigt (Doppeldoppelgeh!) ein.

Dieser Spagat zwischen dem Inhalieren der sämigen Luft und dem Stutzen des grünen Bartes macht mir ungeheuren Spaß, und ich möchte darum nirgends anders leben als am Bodensee.

Gestern war wieder so ein sämiger Tag. Grillen direkt am See, auf einem dieser wunderschönen und absolut privaten Grundstücke, die man niemals kaufen kann, in einem Stückchen wirklich heiler Welt.

Grillen am See

* Vermutlich hätte Walser (1, 2, 3) besser von grünen Augenbrauen schreiben sollen 8;-)

About Peter Eich

Mathematiker und Philosoph eigentlich, Seriengründer und Investor tatsächlich. Gründer von Inselhüpfen, Radweg-Reisen, Bikemap, Toursprung, Tourbook, Bodensee-Verlag, und Cyclesummit. Außerdem Referent, Immobilien-Investor, Pilot, NLP-Coach und Barista. Und meistens unterwegs.