Häkel-Anschlag in Konstanz

Konstanz liegt am Rande der Republik, und das in jeder Hinsicht. Wäre unsere Republik eine Banane, wir wären ihre bittere Schale.

Wer hier lebt und Kunst und Kultur nicht nur aus dem Feuilleton erleben will, der muss ein paar Hundert Kilometer weit reisen. Dorthin, wo das, was bei uns nicht mal in der Zeitung steht, auch wirklich passiert. Denn das heimliche Motto unserer Stadt lautet „des hemma noch nie ghabt, des welle mia it“.

Achtung Kalauer: Veränderungsphobie ist nämlich die eigentliche Konstanz.

Doch was bei den Nachbarn im Norden die tapferen sieben Schwaben waren, das sind bei uns die dreizehn heimlichen Häkel-Damen.

Hier haben sich also dreizehn namenlose Heldinnen gefunden und das Häkeln als ihre soziale Passion entdeckt. Frau trifft sich regelmäßig, und seit alle heimischen Kreise beschalt und bemützt sind, wächst der Mut aus den eigenen vier Wänden hinaus.

Und mit diesem Mut haben unsere dreizehn Konstanzer Häkel-Damen beschlossen den öffentlichen Raum zu behäkeln. Das ist längst eine wunderschöne Kunstform geworden, die auf der ganzen Welt Menschen zum Lächeln bringt:

Wer’s nicht glaubt, der schaue mal bei Google oder Flickr unter Yarnbombin, Urban Knitting oder lese bei Wikipedia über Guerilla Knitting.

So schlichen sich unsere dreisten Dreizehn also letzte Woche nach Mitternacht zum Konstanzer Triumphbogen, unter Einheimischen auch als der Autofahrer-Brunnen von Peter Lenk bekannt.

Peter Lenk? Das ist doch der von der Imperia. Und wer A sagt, der muss auch B sagen. Doch das ist eine andere Geschichte, auf die wir noch hoffen dürfen. Bleiben wir also vorerst bei A.

Des nachts in der vergangen Woche schlichen diese Damen also auf die Laube und nähten dort heimlich zusammen, was sie in den Wochen zuvor in ihren Kellern maßgehäkelt hatten. Allerfeinstes Yarnbombing.

Während der knappen Stunde vor Ort kam natürlich sogleich eine Streife der Polizei vorbei und stelle die Damen zur Rede. Kopfschüttelnd aber unverrichteter Dinge zogen unsere Beschützer nach einer kurzen Diskussion davon.

Als Lenks Hässlichkeiten schließlich kunterbunt aufgehübscht waren, machten unsere dreisten Dreizehn noch ein paar Fotos und taten das, was jeder brave Konstanzer nach Mitternacht zu tun hat: sie gingen schlafen.

Am nächsten Morgen um sieben Uhr hatten die spaßbefreite Polizei und die spaßbefreite Verwaltung unserer spaßbefreiten Stadt bereits ihre Pflicht getan, und die Lenk’schen Hässlichkeiten waren wieder nackt wie je zuvor.

Weil: des welle mia it!*

Wieder alles beim Alten

*Um ganz fair zu bleiben: der Künstler höchstselbst klärte unsere Damen derweil auf, dass die Mischung aus Temperaturschwankungen, Luftfeuchtigkeit und Kälte so gar nicht gut für die zarte Haut seiner Figuren sei. Und weil man ja nur belustigen aber nicht beschädigen wolle, sollten wir Konstanzer derweil im Vorbeigehen eher auf Brückengeländer, Parkbänke und Bäume achten als auf unsere rotierende Hübschlerin. Munkelt man.

About Peter Eich

Mathematiker und Philosoph eigentlich, Seriengründer und Investor tatsächlich. Gründer von Inselhüpfen, Radweg-Reisen, Bikemap, Toursprung, Tourbook, Bodensee-Verlag, und Cyclesummit. Außerdem Referent, Immobilien-Investor, Pilot, NLP-Coach und Barista. Und meistens unterwegs.