Interview im Südkurier

In der Zeitung Südkurier gibt es eine Serie von Interviews mit Leuten aus der Region, und sie nennt sich  „Auf einen Kaffee mit“.

Am 4. 11. 2013 ist dieses Interview im Südkurier mit mir erschienen, der Anlass war mein Verkauf der Firma Radweg-Reisen.

Artikel im Südkurier

 

Herr Eich, Sie haben mit Radweg-Reisen gerade eine sehr erfolgreiche Firma verkauft. Wie fühlt sich das an?

Das weiß ich noch nicht so genau. Das Unternehmen war zwölf Jahre lang eines meiner Hauptstandbeine, aber es hat angefangen mich zu langweilen, weil ich viel lieber Dinge aufbaue. Den Geschäftsführerposten hatte ich schon vor drei Jahren abgegeben. Das war der erste Schritt für mich –Abstand zu gewinnen und die Firma eigenständig laufen zu lassen. Jetzt bin ich ganz davon los. Das gibt mir Platz für neue Projekte, neue Begeisterung für andere Sachen, und das ist erst mal richtig gut. Ich war bis vor Kurzem in Namibia und bin, wie so oft, früher von der Reise zurückgekehrt. Ich konnte es nicht aushalten, nicht daheim zu sein und die ganzen Projekte und Ideen, die ich gerade habe, umzusetzen.

Ist das nicht ziemlich anstrengend, nie zur Ruhe zu kommen und immer vorwärts zu drängen?

Es kommt darauf an, auf welchen Bereich des Lebens man es bezieht. Im Berufsleben bin ich ziemlich ungeduldig, weil ich Neues aufbauen möchte. Dasselbe würde ich nicht über mein Privatleben sagen wollen, das wäre tatsächlich sehr anstrengend.

Sie haben von acht Firmen vier verkauft. Das heißt, immer wenn es gerade gut läuft, wird es zu langweilig?

Wenn es von alleine läuft. Ich habe noch nie versucht, in einer meiner Firmen zu arbeiten, sondern immer nur an der Firma. Das heißt, wenn sie gut läuft, ist das Ziel erreicht.

Dann habe ich mir oder der Welt bewiesen, dass dieses Projekt selbstständig existieren kann, und dann braucht es mich nicht mehr. Mein Wunschjob in meinen eigenen Firmen war immer nur, Zukunftsminister zu sein.

Was erwächst daraus?

Neues. Ich denke nicht an heute und morgen, sondern nur an übermorgen. Ich liebe es, durch die Welt zu gehen und vom Konjunktiv in den Indikativ zu kommen, von ‚man müsste doch, man sollte endlich‘ in das wirkliche Umsetzen.

Was ist Ihre nächste Idee?

Da gibt es viele, ich habe ich noch nicht ganz aussortiert, was tatsächlich meinen Fokus abbekommen wird in den nächsten Wochen, Monaten, Jahren. Ich habe ja noch zwei Firmen, eine davon in Konstanz, die andere sitzt operativ in Wien. Die möchte ich voranbringen. Und um etwas ganz Neues zu starten, bin ich gerade mit einem guten Freund unterwegs, der auch mehrere Firmen gegründet hat und in einer ähnlichen Größenordnung wie ich verkaufen konnte. Ich würde ihn gern für eine meiner Ideen begeistern. Er ist ein richtig guter Techniker, so jemanden bräuchte ich.

Geht es dabei wieder um das Radfahren und um Tourismus?

Das hat ein bisschen mit Tourismus, mit Reisen zu tun. Wie hat Goethe seine italienische Reise organisiert? Er ist nicht ins Reisebüro gegangen, er hat nicht bei Holidaycheck gebucht, er hat auch keine Touristinfos gefragt. Goethe hat meistens nicht einmal in Hotels geschlafen, sondern auf ein mündliches Empfehlungsmarketing in Freundes-, Beziehungs- und Adelskreisen hin eine Unterkunft bekommen gegen eine gewisse Reputation, die er hatte. Das, was dem heutzutage am nächsten kommt, ist Couchsurfing. Das ist die Urform des Reisens. Es geht nicht um Orte, sondern um Menschen. Unter diesem Motto würde ich gerne ein richtig globales Projekt starten. Bei mir soll es aber weniger um das Übernachten gehen, sondern darum, dass Leute sich treffen.

Das andere Projekt dreht sich ums Essen. Ich finde es schade, wenn jemand alleine isst, denn das Essen sollte ein sozialer Vorgang sein. Ich würde also gerne, wenn ich in einer fremden Stadt bin, auf mein iPhone schauen und sehen können, wo in meiner Umgebung gerade jemand dabei ist zu essen und ich willkommen bin. Ich möchte Leute an den Tisch bringen, damit sie miteinander reden, während sie essen. Von beiden Projekten habe ich nicht die geringste Ahnung. Und ob ich damit mal Geld verdienen kann, spielt auch nicht die große Rolle.

Ist es nicht gerade der Reiz von Reisen, dass nicht alles durchgeplant ist?

Richtig. Der Unterschied zwischen Urlaub und Reisen ist das Unvorhersehbare. Urlaub ist gebucht, das Reisen passiert. Beim Reisen spielt der Zufall eine große Rolle, aber dem kann man auf die Sprünge helfen. Kommunikation ist eine Herausforderung. Ich merke das an mir selbst. Ich bin nicht kontaktscheu, und trotzdem wünsche ich mir, ich würde mit zehnmal mehr Menschen kommunizieren. Diese Schüchternheit mit einer Technologie zu umgehen, wäre aus meiner Sicht ein großer Mehrwert. Wenn ich mich in einem Café, in dem fünf Tische frei sind, ausgerechnet zu der einen anderen Person setze und ein Gespräch anfange, obwohl sie gerade lesen wollte, kostet das Überwindung. Wenn ich aber vorher sehen könnte, wer gerade in einer ähnlichen Stimmung ist wie ich, würde es helfen.

Entstehen Ihre Ideen klassischerweise unter der Dusche oder beim Joggen?

In meiner Dusche ist tatsächlich ein wasserfester Notizblock. Aber mir kommen die meisten Ideen beim Reden. Ich halte sehr gerne Vorträge. Wenn ich die maximale Konzentration habe, weil viele Zuhörer da sind, fällt mir Neues ein. Und im Gespräch mit Leuten. Wenn ich zurückschaue auf die letzten fünf Jahre, ist der meiste Mehrwert entstanden, wenn ich interessante Menschen getroffen und gezielt mein Netzwerk erweitert habe. Darum dreht sich eine weitere meiner Ideen. Ich möchte mit einem eigenen Webprojekt eine Interviewserie starten und Leute befragen, die aus meiner Sicht in dem, was sie tun, Erfolg haben. Das muss nicht nur beruflich und monetär sein, sondern es kann auch jemand sein, der von 150 Kilo auf 70 abgenommen hat oder jemand, der unsportlich war und jetzt einen Rekord gebrochen hat. Dazu möchte ich lange Interviews von einer oder eineinhalb Stunden in der ungekürzten Version als Podcast-Serie online stellen.

Das Ziel ist es, im Gespräch aus den Personen zu extrahieren, wie sie es schaffen, so erfolgreich zu sein. ‚Gründerviews‘ ist der Titel der Interviewserie, die mich dazu verleiten wird, ganz viele interessante Leute zu treffen. Ich habe auch schon zwölf, 13 Interviewpartner parat und die Audioausrüstung gekauft. Vielleicht wird dann irgendwann ein Buch daraus. Das Erfolgsthema finde ich total spannend, da würde ich gerne tiefer einsteigen.

Was ist der Unterschied zwischen Ihnen und anderen? Andere haben auch Ideen, setzen sie aber nicht um.

Mir fällt es leicht, Firmen zu gründen, das habe ich achtmal erfolgreich gemacht. Und wenn man nicht Firmen im juristischen Sinne meint, sondern Projekte, dann habe ich 25 hinter mir. Mir fällt es dagegen zum Beispiel gar nicht leicht, Briefe zu öffnen. Zu Hause habe ich keinen privaten Assistenten, keine Buchhalterin und keine Infrastruktur. Hier muss ich die wenigen Rechnungen, die an mich privat kommen, selbst öffnen. Das schiebe ich gerne ewig vor mir her – so sehr, dass ich beinahe einmal in juristische Probleme geraten wäre, weil Leute ihr Geld nicht von mir bekommen haben. Nicht aus finanziellen Gründen, sondern aus Vor-mir-Herschieberei.

Warum fällt es Ihnen leicht, eine Firma zu gründen, aber schwer, einen Brief zu öffnen?

Das ist eine spannende Frage. Wenn ich mir vorstelle, ich müsste mich an meinen Schreibtisch setzen und Briefe öffnen, habe ich ein Bild von dieser Tätigkeit vor meinen Augen. Und dieses Bild ist furchtbar und ich mag es nicht. Es ist statisch, kalt, farblos und weit weg von mir. Wenn ich mir hingegen überlege, ich könnte noch ein neues Projekt aufbauen, dann sehe ich vor meinem inneren Auge nur den Erfolg und nicht den Prozess auf dem Weg dorthin. Und das Bild ist bewegt, warm, voller Farben und ganz nahe bei mir. Ich bin überzeugt davon, dass die Frage, wie schwer einem eine Aufgabe vorkommt, ganz viel damit zu tun hat, auf welche Weise man sich vorher ein Bild davon macht.

Hatten Sie auch schon Misserfolge?

Ja klar, aber hallo! Ich habe jeden Fehler gemacht, den man machen kann. Ich erlaube mir jeden Fehler – aber nur einmal. Mein ganzer Weg ist gepflastert mit Irrtümern. Das ist auch völlig okay. Wenn ich gegen eine Wand renne, denke ich mir, super, ich habe etwas gelernt. Ich zweifle nicht an mir, denn es ist nicht mein persönlicher Misserfolg. Ich habe schon Projekte eingestellt, weil ich mich für die falschen Partner entschieden habe, mit denen ich nicht mehr zusammenarbeiten wollte. Ich hätte aber wissen können, dass das nicht gut gehen kann. Dann habe ich mich weggedreht und das Nächste ausprobiert.

Woran haben Sie wirklich zu knabbern?

Nüsse! Ich esse gerne Nüsse! (grinst)

Nein, mal ernsthaft.

Nichts. Wenn es so wäre, würde ich irgendwas falsch machen und dann würde ich hoffentlich darauf reagieren.

Aber es hat doch jeder im Leben irgendetwas, womit er lernen muss umzugehen.

Ja klar, aber da ist ja nichts zu knabbern. Knabbern klingt wie Opfer der Umstände sein. Ich versuche nicht, mich als Opfer von äußeren Dingen zu sehen, sondern ich fühle mich sehr verantwortlich für alles, was mir passiert, gelingt, misslingt und nicht passiert. Nur so habe ich auch die Chance, drauf zu reagieren, weil es mein Part ist, mein Leben zu gestalten. Ich hätte gerne mehr Zeit, ich würde gerne durch die ganze Welt radeln.

Ich habe als Student Kontinente auf dem Rad durchquert, bin über die höchsten Pässe der Welt gefahren, und plötzlich ist mir das zum Beruf erwachsen. Aber eben nicht das Radreisen, sondern das Organisieren für andere. Ich hatte ein Jahrzehnt lang verwechselt, dass Radfahren nicht dasselbe ist wie Leute zum Radfahren zu bringen. Und ich habe vergessen, selbst Rad zu fahren. Ich merke jetzt, wie glücklich es mich macht, auf dem Rad zu sitzen.

Sie haben Mathe und Philosophie studiert. Wann kam der Punkt, an dem Sie etwas anderes machen wollten?

Der kam nie. Das ist mir sozusagen passiert. Ich bin aufgewachsen mit dem Wunsch, mich mit Mathematik zu beschäftigen. Das ist mir auch extrem leicht gefallen. Ich habe aber ‚leicht‘ und ‚gerne‘ verwechselt. Ich hatte tatsächlich, bis ich 27 Jahre war, geglaubt, dass das mein Weg wäre. Dann hatte ich irgendwann aus Versehen meine erste GmbH gegründet. Das war Inselhüpfen, was ich auch vor vier Jahren verkauft habe. Damals hatte ich als Reiseleiter gejobbt und gedacht: ‚Mensch, das müsste man besser machen.‘ Und plötzlich lief es. Als ich dann eine Firma am Hals hatte, habe ich gemerkt, wie viel mehr Spaß es mir macht, mich darum zu kümmern. Als der Erfolg kam, habe ich endlich mein Studium formal abgebrochen. Mir fehlte nur noch eine mündliche Prüfung zum Abschluss, aber es hat sich gut angefühlt. Für meine Eltern und für meine Großmutter war das ein Schock. In meiner Familie waren alle männlichen Vorfahren Mathematiker oder Physiker. Und sie hießen auch noch wie ich Peter Eich. Meine Oma hat mir damals in einem Brief geschrieben, ich würde in der Gosse landen, wenn ich mein Studium abbreche. Das hat mir schon ein bisschen zugesetzt, aber es überwog natürlich die Motivation, ihr zu beweisen, dass ich das Richtige tue. Wenn ich zurückblicke, fällt mir auf, dass ich schon als Schüler ein Unternehmer war. Unter anderem habe ich eine Woche, bevor der Schulfotograf kam, selbst Bilder gemacht und sie verkauft. Und viele andere solcher Projekte, noch bevor ich volljährig war. Diesen roten Faden in meinem Leben habe ich aber erst nach dem Studienabbruch wirklich erkannt.

Wie hat man sich ein Leben als Seriengründer vorzustellen, was Ihre Berufsbezeichnung ist?

Mein Tag ist auf keinen Fall so strukturiert, dass er einen festen Ablauf hätte. Ich kann gut organisieren, aber mein Tag besteht ganz viel aus Treibenlassen und mal gucken. Ich weiß oft morgens noch nicht, was ich den Tag über machen werde.

Woher kommt der Name Bodenseepeter, unter dem Sie Ihren Blog betreiben? Soll das suggerieren: ‚Ich bin einer von euch und kein unnahbarer Geschäftsmann?‘

Das kommt aus dem Jahr 2006, als ich meine private Webseite, die damals noch ganz statisches HTML war, auf eine Blog-Software umgestellt habe. Ich dachte, mein Name sei nicht griffig genug, um eine virtuelle Identität darzustellen. Das war nur eine Spielerei, aber mir fällt immer wieder auf, dass viele Leute sagen: ‚Ach, du bist der Bodenseepeter!‘ Ein Blog ist eine vorwärts geschriebene Biografie, in dem die Gegenwart drinsteht. Mein Lebenslauf, den ich nicht auf Papier habe, weil ich mich noch nie auf einen Job beworben habe in meinem Leben, zeigt die Vergangenheit. Ich finde es ganz gut, dass Leute, die ich treffe, sich vorher ein Bild von mir machen können.

Sie sind auf Xing, Facebook, Twitter, Skype, haben einen Blog und eine Website. Nutzt es dem Geschäft, sein Leben so offen zu führen, oder ist Ihnen Privatleben nicht so wichtig?

Es nützt dem Geschäft sehr, macht mir aber auch einfach Spaß. Mein echtes Privatleben findet man nicht auf Facebook und auch nicht auf meinem Blog. Darauf achte ich. Das ist eine virtuelle Identität, von der ich aus Spaß immer sage, dass ich darauf total eifersüchtig bin. Ich sage: ,Der virtuelle Typ ist echt cool, viel cooler als ich.‘ Mein Facebook-Profil hat über 1000 Freunde, ich selbst habe vielleicht 20. Der Bodenseepeter bin ich nicht wirklich, das ist eine Rolle.

Bei der man aber schon herausliest, dass Sie sich selbst gut finden.

Das müssen andere entscheiden. Ich versuche, sowohl mit Erfolgen als auch mit Misserfolgen ganz offen umzugehen. Meine Erfolge kommen bei manchen Leuten schwierig an. Sie sagen mir, dass ich auf der Website von Aktivitäten berichte, die sie sich gar nicht leisten können. Auf der anderen Seite reflektiere ich im Blog auch über Rückschläge. Niemand muss das lesen, wenn er es nicht mag.

Warum haben Sie eine Mailbox und sagen aber auf der Mailbox, man soll nichts draufsprechen?

Weil das Abhören meiner Nachrichten Fremdbestimmung ist, und die hasse ich. Es ist so umständlich, eine Sprachnachricht abzuhören. Ich hätte es viel lieber, wenn ich nur eine SMS oder eine E-Mail bekäme. Das kann ich selbst abrufen, wann ich will, aber Sprachnachrichten drängen sich mir auf und zwingen mich zur Reaktion. Ich habe seit einem halben Jahr meine Mailbox nicht abgehört. Sie ist zu sehr Push, und ich mag nur Pull.

Aber dann könnte man die Mailbox auch einfach abschalten.

Wenn ich wüsste, wie das technisch geht, würde ich den Knopf drücken.

Ein Technikbegeisterter wie Sie weiß das nicht?

Nein, ich habe irgendwann mal den Provider umgestellt und mir nicht die Mühe gemacht, die neue Tastenkombination herauszufinden.

Was ist Ihr Lebensziel?

Ich bin schon über die Hälfte meines Lebens in Konstanz, und da möchte ich auch bleiben. Das ist ein Ziel. Aber mir gefällt diese Winternebelsuppe so was von gar nicht, dass ich tatsächlich immer näher an den Gedanken komme, mir einen Winterwohnsitz auf der anderen Seite der Erde zu besorgen, konkret in Kapstadt. Und ein weiteres Lebensziel sind Kinder. Ansonsten finde ich es schon ganz fantastisch, wie alles läuft. Es soll einfach nur so weitergehen.

About Peter Eich

Mathematiker und Philosoph eigentlich, Seriengründer und Investor tatsächlich. Gründer von Inselhüpfen, Radweg-Reisen, Bikemap, Toursprung, Tourbook, Bodensee-Verlag, und Cyclesummit. Außerdem Referent, Immobilien-Investor, Pilot, NLP-Coach und Barista. Und meistens unterwegs.