Die Zahl der Fragebögen, die mich zum Thema „Seriengründer“ erreichen, steigt schneller als ich Firmen gründen kann. Da muss man aufpassen, dass man vor lauter Reflexion des Gründens das Gründen selbst nicht vergisst. Darum schicke ich auch meist ein „Sorry, keine Zeit, muss gründen“ als Absage.
Doch heute hatte ich Lust auf das Interview, und hier sind ein paar meiner Antworten auf die Fragen im Rahmen einer Bachelor-Thesis zum Thema „Serial Entrepreneurship“:
Interview als Seriengründer
Wie viele Unternehmen haben Sie bereits gegründet?
Sechs Firmen sowie vier firmenähnliche Projekte, die allerdings in vorhandenen Firmen laufen.
An wie vielen Unternehmen sind Sie außerdem beteiligt und in welcher Form (Business Angel, Investor, weitere)?
Keine. Meine Stärke liegt darin Dinge selbst anzustoßen. Ich habe kein Indiz dafür, dass ich als Investor gut sein könnte, nur weil ich selbst erfolgreich ein paar Firmen aufgebaut habe.
In wie vielen Unternehmen sind Sie im operativen Geschäft tätig? Was ist Ihre Hauptaufgabe?
Ab Gründung war ich das in jeder, momentan nur noch in einer. In den anderen habe ich die Geschäftsführung nach der Start-Up-Phase abgegeben.
War es von Beginn an Ihr Ziel, die Unternehmen mit einer Exit Strategie aufzubauen?
Nein, gegründet habe ich immer mit dem Ziel die Firma (das Projekt, die Idee) zum Laufen zu bekommen. Sozusagen aus Projektästhetik mit betriebswirtschaftlichem Nebennutzen. „Da muss man doch“ und „da könnte man“ waren immer die ersten Gedanken. Also Marktlücken, die nach Schließung schrien. Der Verkauf kam bislang immer zustande, weil ein Käufer auf mich zukam.
Unterdessen arbeite ich jedoch bei bestehenden und profitabel laufenden Firmen durchaus daran, sie verkaufbar zu machen, dh schon vor konkreten Kaufabsichten die Firma so aufzustellen, dass sie für einen potentiellen Käufer leichter zu durchschauen ist. Also an Entflechtungen, klaren Positionierungen und auch Unabhängigkeiten von meinen anderen Projekten.
Wie haben Sie Ihre Unternehmen finanziert? Über Investoren, private Geldgeber, Bankkredite, eigene Finanzierung, sonstige?
Die allererste durch einen spontan angebotenen Kleinkredit des Steuerberaters, den ich eigentlich nur gebeten hatte, meinen Businessplan Korrektur zu lesen. Eine weitere Firma durch einen Risikokapitalgeber (der bis heute Gesellschafter ist), und alle andere mit eigenem Geld. Alle meine Firmen sind frei von Fremdkrediten, dh ich verzichte auch auf teure Ideen und schnelles Wachstum zugunsten der Unabhängigkeit von Dritten.
Wie schützen Sie sich vor Konkurrenz? Haben Sie dafür eine besondere Strategie?
Damit, dass ich mich mehr anstrenge als meine Konkurrenten. Und vielleicht die besseren Ideen habe. Aber sobald man als Unternehmer müde und faul wird, beißen einen die (fleißigeren) Hunde!
Haben Sie vor, weitere Unternehmen zu gründen? Wenn ja, was ist Ihr Ziel?
Ja, auch wenn das Geldverdienen nicht mehr meine hauptsächliche Motivation ist. Ich liebe es Projektchancen zu suchen, zu finden, Projekte zu initiieren, zum Laufen zu bringen und auf eigene Beine zu stellen, also nach möglichst kurzer Zeit nicht mehr im, sondern am Projekt zu arbeiten. Der Reiz der ersten Stunde eines Projektes ist für mich ungebrochen, die erste Nachtschicht mit zu viel Espresso in meinem Arbeitszimmer ist ein Glückmoment und ein immer wieder von mir gesuchter Flow.
Mich reizen vor allem Projekte, die ich alleine an meinem MacBook mit diversen Tools anstoßen kann, die es so vor 10 Jahren noch nicht gegeben hatte, und die nun keine teuren Experten mehr erfordern. Das Gründen ist sehr viel einfacher geworden.
Der monetäre Aspekt bei der Gründung ist mir nicht mehr so wichtig, weil mein Auskommen bereits gesichert ist. Das genieße ich vor allem deswegen, weil es die Spanne möglicher neuer Projekte auf solche vergrößert, die nicht kurzfristig betriebswirtschaftlich motiviert sind.
Welche Kriterien müssen eine Idee und/oder ein Konzept erfüllen, damit Sie es als erfolgsversprechend ansehen?
Es muss ein vorhandenes Bedürfnis stillen. Ein Bedürfnis, das existiert, auch wenn es vielleicht noch niemand bewusst wahrgenommen und ausgesprochen hat.
Haben Sie eine bestimmte Branche auf die Sie sich spezialisieren? Wenn ja, warum? Warum sind andere Branchen nicht interessant für Sie?
Jein – meine Firmengründungen begannen im Fahrradtourismus und sind momentan in der Web-Technologie. Dennoch gibt es einen klaren roten Faden, der sich vom ersten bis zum momentenen Projekt zieht. Das ist jedoch weniger ein Vorsatz, als viel mehr die Tatsache, dass ich stets dort neue Projekte finde, wo sich gerade meine Aufmerksamkeit befindet. Andere Branchen sind also interessant, aber ich bewege mich nur Schritt für Schritt von Branche zu Nachbarbranche weiter.
Gründen Sie lieber im Team oder alleine?
Alleine. Augenzwinkernd begründe ich das mit meinen zwei linken Gehirnhälften, meinem Halbautismus und der Tatsache, dass ich Einzelkind war. Faktisch hat es auch mit meinem sehr hohen Arbeitstempo zu tun in der Gründungsphase, in dem ich mit diversen lieb gewonnenen Tools eine Produktivität besitze, die durchaus einem Team von 10 weniger erfahrenen Gründern vorweggründet. Bevor ich Dinge in der Anfangsphase kommuniziert hätte, habe ich sie selbst längst erledigt.
Allerdings gibt es auch ein paar Dream-Partner, mit denen ich jederzeit gerne (wieder) etwas Neues anstoßen würde.
Wie darf man sich bei Ihnen einen typischen Arbeitstag vorstellen? Wie schaffen Sie es, den Überblick über Ihre Unternehmen zu bewahren? Haben Sie spezielle Techniken entwickelt, sich nicht zu verzetteln?
Den gibt es nicht, und er änderte sich im Laufe der Jahre. Momentan habe ich (zum Glück) keine operative Rolle mehr, dh ich muss nicht mehr in den Firmen arbeiten, sondern kann mich also ganz auf das Gründen und die Arbeit an den Firmen konzentrieren. Und das hat keinen Rhythmus. Ich spreche viel mit Leuten. Ich reise sehr viel, bin über 50% der Nächte außer Haus. Ich bin sehr pro-aktiv, dh ich besuche interessante Leute offensiv. Es ist hoffentlich nicht leicht mir meinen bei Bedarf auch vehementen Wunsch nach einem Kennenlernen und einem Gespräch abzuschlagen. Meine Geschäft laufen also meist über persönliche Beziehungen. Ich habe immer ein Notizbuch bei mir (und nutze zunehmend alternativ Evernote). Ich lese sehr viel, etwa 5 Bücher pro Woche, viele Webseiten und Zeitungen. Meine Arbeit sieht in der Ideenfindungsphase nicht wie Arbeit aus, und das echte Starten eines Projektes ist nicht die häufigste Tätigkeit, sondern eher die Suche danach.
Ich verliere den Überblick immer wieder. Und dann muss ich dort Feuer löschen, wo es brennt. Und Lösungen implementieren, damit das nicht wieder passiert. Aber generell bin ich sehr zufrieden mit meinen Teams, die fast alle Entscheidungen alleine treffen sollen, fast jeden Fehler machen dürfen – zumindest jeden einmal.
Ich verzettele mich regelmäßig. Und dann wird in meinen Projekten aufgeräumt. Das ist Teil der Arbeit.
Was ist Ihre Motivation zum Gründen? Was ist Ihr Hauptziel? Was ist der besondere Reiz?
Eine Lücke zu sehen, dort ein Projekt zu initiieren oder ein Unternehmen zu gründen, das die Lücke schließt und das fortan autark bestehen bleibt – das ist der mich faszinierende ästhetische Reiz.
Waren Sie jemals Angestellter? Wenn ja, was war der Grund einen sicheren Arbeitsplatz gegen das risikoreiche Gründen zu tauschen?
Nein. Ich habe schon als Schüler Projekte und Einzelunternehmen gegründet. Wenn ich die alle mitzähle, bin ich als Seriengründer übrigens längst zweistellig.
Gibt es besondere Charaktereigenschaften, die Ihrer Meinung nach besonders wichtig sind als Gründer?
Die Bereitschaft sich mehr anzustrengen als andere. Ein großes Maß an Selbstsicherheit, jedoch ohne die Fähigkeit zu verlieren Feedback zu suchen und anzunehmen. Schneller denken und arbeiten als andere. Gute Organisation der eigenen Sachen. Die Lust und Sucht sich stets weiter zu entwickeln. Einsamkeit zu ertragen.
Was waren die schwierigsten Momente, die Sie als Gründer erlebt haben?
Schulden zu haben und von den Kreditentscheidungen anderer anhängig zu sein. Das ist mir zwei Mal passiert, und das soll mir nie wieder passieren. Darum gründe ich wohl auch lieber klein und nur mit eigenem Geld.
Trennungen von Mitgründern waren immer schmerzlich, aber das hält mich nicht davon ab, auch weiterhin bei Gelegenheit Dinge im kleinen Team zu gründen.
Entlassungen. Wie bei jedem Geschäftsführer.
Sind Sie der Meinung, dass fundierte betriebswirtschaftliche Kenntnisse von Nöten sind, ein erfolgreiches Unternehmen aufzubauen, oder glauben Sie, dass die Idee, der Wille und die richtigen Partner gepaart mit einem ausgereiften Konzept genügen?
Nein, ein BLW-Studium hätte mir nicht geholfen. Ich kann bis heute kaum Bilanzen lesen. Aber man muss Leute kennen, die das können. Ein Projekt kalkulieren zu können reicht. Mein Mathestudium war dafür also keine Hilfe – außer vielleicht als Übung präzise zu denken.
Nutzen Sie Komponenten für Ihre Unternehmen (z.B. Fulfillment, Outsourcing im Bereich Buchhaltung, Design, usw.)?
Ja klar. Und der Umgang mit diesen herrlichen Tool ist einer der Schlüssel zum Erfolg. Man kann damit die eigene Produktivität vervielfachen. Diese Tools werden jedes Jahr besser und günstiger (bzw meist sogar gratis). Beispiele sind Evernote, Logotournament, WordPress, Google-Docs, Basecamp, Highrise etc.
Was können Sie anderen Gründern mit auf den Weg geben?
Keine allgemeinen Tipps. Die bekam ich damals auch nicht, bzw ich habe sie nie angenommen.
Aber ich kommuniziere meine Rolle recht offen, blogge und facebooke über Ideen, Erfolge, Misserfolge und meinen täglichen Kampf gegen Prokrastination und Reisemonster. So hat sich eine gewisse Rolle als Seriengründer ergeben, die ich zB auch in Vorträgen ausübe. Damit komme ich regelmäßig in Kontakt mit potentiellen Gründern, die dann vor allem implizit erkennen, wie und wer ich bin. Daraus sollen sie ihre eigenen Schlüsse ziehen.
Ich selbst hatte und habe auch immer Vorbilder, und sie waren (oft ohne es zu wissen) meine größten Hilfen.