(See this talk in English)
Dies ist der Vortrag, den ich heute im Pecha-Kucha-Stil (also 20 Folien zu je genau 20 Sekunden) beim Traveltalk auf der Eurobike gehalten habe:
Oben steht mein Name, und unten die von mir gegründeten Firmen. Etliche davon haben direkt oder indirekt mit Fahrrad-Tourismus zu tun.
Radweg-Reisen zum Beispiel ist Deutschlands größter Radreise-Veranstalter, und Bikemap mit bis zu 15 Mio Seitenaufrufen pro Monat die vermutlich größte Radrouten-Sammlung im Web.
Kurzum: mit Fahrrad-Tourismus habe ich wirklich was am Hut.
Beginnen wir mit einer Quizzfrage: Was sind die populärsten Radwege der Welt? Also die mit den meisten Radtouristen drauf?
Antwort: der Bodensee-Radweg und der Donau-Radweg. Und zwar mit großem Abstand.
Und nun eine zweite Frage: Wer hat diese gefühlten touristischen Marken „erfunden“?
Ein Tourismusverband? Eine Tourist-Info? Ein Politiker? Irgendwas mit Fördergeld?
Nein.
Die Radreiseveranstalter waren es!
Jetzt kommen ein paar Zahlen. Und zwar vom Bodensee-Radweg, weil ich sie da am genauesten kenne.
Auf etwa 3 Mio Anreisen am Bodensee kommen etwa 220.000 Radreisende. Also Radtouristen, die eine mehrtägige Radtour machen.
Das ist im Vergleich zum gesamten touristischen Aufkommen am Bodensee nicht viel. Weil nur 7 Prozent. Also nur jeder 14-te Tourist. Könnte man glauben.
Aber warten Sie mal ein paar Folien ab!
Zählt man nämlich die radelnden Tagesgäste hinzu, so sind wir schon bei 380.000 Ankünften per Rad. Also bei 13% des Aufkommens.
Aber es geht noch weiter!
Der durchschnittliche Tourist am Bodensee bleibt 2,5 Nächte. Und das ist inklusive der Radreisenden.
Und diese bleiben im Schnitt 6,3 Nächte.
Multipliziert man also Ankünfte mit Nächten (was ungefähr dem Umsatz gleichkommt), so sprechen wir von 1,4 Millionen Nächten der Radler zu 7 Millionen Übernachtungen am Bodensee insgesamt. Also bereits von 20%, oder jeder fünften Nacht.
Aber es geht noch weiter!
Wir sind hier gerade auf der Eurobike. Und im September.
Jeder hier im Raum weiß, dass der Bodensee momentan komplett ausgebucht ist. Wie immer zur Eurobike.
Und wie immer im ganzen Juli und im ganzen August.
Oder anders gesagt: ein Hotel kann gar nicht so schlecht sein, dass es im Juli und August nicht täglich bis zum letzten Zimmer ausgebucht wäre.
Ob ein touristisches Jahr für den Hotelier ein gutes Jahr ist, entscheidet sich also nicht in der Hauptsaison.
Im Winter übrigens auch nicht, denn da kommt eh fast niemand.
Bleiben also Vor- und die Nachsaison.
Schauen wir uns mal an, wann die Touristen kommen. Die Kurve sieht aus wie ein Dromedar, also mit einem großen Höcker in der Hauptsaison.
Und jetzt schauen wir uns im Vergleich die Verteilung der Radreisenden an. Die wollen nämlich gar nicht in die Pedale treten, wenn es am wärmsten ist.
Darum häufen sie sich – trallala! – genau in der Vor- und Nachsaison. Bilden also zwei Höcker, so wie ein Kamel.
Und jetzt lege ich diese beiden Kurven übereinander. (Nicht ganz maßstabsgerecht, sondern zur Illustrierung.)
Wenn wir uns darauf konzentrieren, wie weit das Dromedar tatsächlich über dem Kamel liegt und dabei (Achtung, das ist wichtig!) die Monate Juli und August ignorieren…
…was passiert dann?
Richtig, die Relevanz der Radtouristen steigt weiter. Nämlich bezogen auf erstens die verbrachten Nächte und zweitens eingeschränkt auf den saison-entscheidenden Zeitraum.
Nun landen bei satten 33%. Also jeder dritten Nacht im entscheidenden Zeitraum.
Das wird also aus den vermeintlich unwichtigen Radlern, die nur 7% der Ankünfte ausmachen. Sie lassen plötzlich jeden dritten Euro in der Region.
Und jetzt zur zweiten Frage: wie schaffen Sie es, dass mehr dieser Radler in Ihre Region kommen?
Ich habe da zufällig eine Idee:
Schauen wir uns folgendes Diagramm an.
Die X-Achse ist der Ort, an dem der Tourist sich befindet. Also entweder zuhause. Oder bereits in der jeweiligen Destination. Oder in einer ganz anderen Destination (also bei Ihrer gefühlten Konkurrenz, falls sie eine Destination sind).
Auf der Y-Achse sind die thematischen Zielgruppen aufgetragen. Also die Radler, die Wanderer oder die autofahrenden sonstigen Touristen.
Und nehmen wir mal an, Sie sind diese Destination, die ich rot markiert habe.
Sie sind also gut darin, quer über die verschiedenen thematischen Urlaubsarten (blauer Bereich) die Gäste zu erreichen, die sich (schon oder bald) in Ihrer Destination befinden.
Und diese wollen Sie davon überzeugen, dass sie bei Ihnen Rad fahren.
Sie wollen also Leute in das unten folgende blaue Quadrat bringen. Möglichst viele. Und das mit minimalem Aufwand.
Und um etwas vorweg zu nehmen, ich habe da bereits einen kleinen Teil rot markiert. Das nämlich sind die Radler unter Ihren Gästen, die eine Reise mit einem Veranstalter unternehmen. Doch dazu später mehr.
Doch apropos Veranstalter.
Die arbeiten übrigens ganz anders als Destinationen. Sozusagen in einer anderen Dimension.
Denn Veranstalter sind auf den ersten Blick destinations-neutral. Der Veranstalter will nur, dass der Kunde die für ihn passende Reise bucht. Egal wohin.
Darum bewegen sich Veranstalter nur thematisch im Bereich der Radtouristen. Also im hier blau markierten Bereich.
Und was wollen Sie, als Destination?
Sie wollen beides haben, um am Ende möglichst viele radelnde Gäste zu erhalten.
Und jetzt passen Sie gut auf:
Der Kunde, der einmal in Ihrer Destination geradelt ist, der kostet Sie die normalen Kunden-Akquisitionskosten.
Genau wie den Veranstalter auch.
Mit einem wesentlichen Unterschied:
War der Kunde einmal bei Ihnen mit dem Rad unterwegs, wird er seine nächste Radtour bestimmt woanders unternehmen wird. Sie werden den Kunden also verlieren.
Sie konnten also genau ein Mal aus dem Kunden Wert schöpfen.
Und wie ist das bei einem Veranstalter? Je nach Qualität seiner Arbeit reist ein Kunde 3-4 Mal mit ihm.
Die Wertschöpfung eines Veranstalters ist also 3-4 Mal so groß wie bei Ihnen.
Der Veranstalter kann also 3-4 Mal so viel für Marketing bezahlen, wie die Destination.
Oder anders gesagt: der Veranstalter macht 3-4 Mal so gutes Marketing wie Sie.
Und jetzt komme ich zum dritten Teil des Vortrags.
Wir von Radweg-Reisen hatten mal eine Kooperation mit der Insel Mainau. Auf der man weder Rad fahren darf, noch sein Rad überhaupt auf die Insel bringen kann.
Was schade ist, denn die Insel hat zwei Eingänge. Einen an Land und einen am seeseitigen Hafen.
Zum einen Eingang zu radeln und vom anderen mit dem Schiff und seinem Rad überzusetzen wäre eigentlich eine fantastische Idee.
Dachten sich die Insel Mainau und wir.
Und darum betrieben wir ein Jahr lang ein Shuttle auf der Mainau, um die Räder der zu Fuß gehenden Gäste quer über die Insel zu transportieren.
Und um das Shuttle auszulasten, hatten wir in diesem Jahr alle unsere Radreisen am Bodensee so umgearbeitet, dass die Route über die Insel Mainau führte.
Diese Kooperation hielt nur ein Jahr.
Aber noch in den Folgejahren kamen Tausende Gäste mit dem Rad auf ihrer selbst geplanten Radtour zur Mainau und verlangten dort nach dem nicht mehr existierenden Shuttle.
DAS war unser Aha-Effekt, bei dem wir als Radreise-Veranstalter sehen und grob quantifizieren konnten, wie viele Radler, die nicht unsere Kunden sind, trotzdem unsere Reisen nachfahren. Nämlich etwa zehn Radler auf einen Kunden!
Oder was glauben Sie, warum am Bodensee alle Radler um Uhrzeigersinn um den See fahren und sämtliche Reiseführer den Radweg so beschreiben?
Aus demselben Grund: weil die Reiseveranstalter die Tour so anbieten. Denn sie sind es, die in der Hauptsache den Radweg definieren – und nicht etwa dessen Beschilderung.
Und jetzt zurück zur Matrix.
Sie wollen also möglichst viele Radler in das blaue Feld bringen.
Dazu rate ich Ihnen: konzentrieren Sie sich auf den kleinen roten Bereich. Kooperieren Sie mit den Radreise-Veranstaltern. Denn das sind die Leithammel Ihrer Herde.
Hier können Sie (um bei den Zahlen des Bodensees zu bleiben) mit der kleinen Zielgruppe von etwa 10.000 Gästen von Radreise-Veranstaltern einen sehr effektiven Hebel an Ihr Marketing ansetzen.
Nämlich diesen:
Denn zwischen 0,3 % und 33 % liegt immerhin der Faktor 100.
Und zwar nicht im Preis, sondern in der Wirkung.
Darum mein abschließender Rat: schließen Sie Freundschaft mit den Radreise-Veranstaltern. Arbeiten Sie mit ihnen zusammen!